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Beitrag vom 26.01.2017
Hidden Figures - Unerkannte Heldinnen. Kinostart: 2. Februar 2017
Helga Egetenmeier
Der mitreißende Film, für drei Oscars nominiert, erzählt die wahre und weitgehend unbekannte Geschichte drei afroamerikanischer Mathematikerinnen, die Anfang der 60er die ersten NASA-Missionen möglich machten – zu einer Zeit, die von Rassentrennung bestimmt war und Computer noch nicht existierten
Angelehnt an die Biographien der NASA-Mathematikerinnen Katherine G. Johnson, Dorothy Vaughan und Mary Jackson würdigt der Film ihren Beitrag zur Eroberung des Weltraums genauso wie ihren Kampf um gleiche Rechte als Frauen und als Schwarze – damals eine fast noch schwierigere Mission, als einen Menschen ins All zu schießen. Die Doppeldeutigkeit des Titels steht dabei sowohl für die drei Frauen als "unsichtbare Figuren" als auch ihre Tätigkeit, "verstecktes Zahlenmaterial" an die Oberfläche zu rechnen.
Vor dem legendären Flug von Friendship 7 bestand John Glenn darauf, dass Katherine Johnson persönlich die Computerberechnungen der Umlaufbahn überprüfte und verifizierte.
Ihre außergewöhnliche Begabung für Zahlen zeigte sich bei Katherine Johnson bereits im Kindesalter: "Ich zählte Schritte. Ich zählte die Teller, die ich abwusch. Ich wusste, wie viele Schritte es von unserem Haus zur Kirche waren", so die heute 98-Jährige. Bereits mit 15 Jahren durfte sie die Universität besuchen. "Ich fand die Geschichte fantastisch", kommentiert Taraji P. Henson, die Katherine Johnson im Film spielt und die Ehre hatte, sie persönlich bei der Vorbereitung auf ihre Rolle zu treffen. "Wir haben Frauen in Spielfilmen als Politikerinnen, Anwältinnen und Ärztinnen gesehen. Ich glaube aber nicht, dass ich je eine schwarze Wissenschaftlerin oder Mathematikerin gesehen habe. Deshalb dachte ich ‚Wow, was für eine großartige Gelegenheit, jungen Mädchen ein Vorbild zu präsentieren´."
Grundlage für den Film bildet das Sachbuch "Hidden Figures: The American Dream and the Untold Story of the Black Women Mathematicians Who Helped Win the Space Race" von Margot Lee Shetterly, die mit ihren Recherchen 2010 begann. Im Zusammenhang damit gründete sie 2013 "The Human Computer Project", mit dem Ziel, die Arbeit sämtlicher Frauen, die als "menschliche Computer", Wissenschaftlerinnen und Mathematikerinnen in den frühen Jahren bei der NASA gearbeitet haben, zu archivieren.
"Computer in Röcken" wurden die Frauen genannt, die für die NASA notwendigen Berechnungen zur Raumfahrt einzig mit Stift, Papier und einfachen Rechenmaschinen leisteten, noch bevor es elektronische Computer gab. Ein Teil davon waren afroamerikanische Mathematik-Lehrerinnen, die aufgrund der bestehenden Gesetzeslage zum Essen und für den Toilettengang gesonderte Räume aufsuchen mussten.
So eilt Katherine G. Johnson, gespielt von Taraji P. Henson, täglich von ihrem ausschließlich mit weißen Mathematikern besetzten NASA-Büro auf ihren Stöckelschuhen über das Gelände zu dem "Coloured Women Restroom". Ein Weg, der um die 40 Minuten dauert. Der Film zeigt die alltägliche Diskriminierung in vielen Kleinigkeiten und auch den Kampf dagegen. Die sogenannten Jim Crow-Gesetze, die die Rassentrennung festschreiben, endeten offiziell erst 1964 mit dem Civil Rights Act.
Nach dem 2. Weltkrieg verschiebt sich das soziale Gefüge der Arbeitswelt in den USA. Durch die Männerknappheit wird auch für Frauen der Mittelschicht die Berufswelt zugänglich und öffnet gleichzeitig eine historische Möglichkeit der Emanzipation. Es ist auch der allmähliche Beginn der Bürgerrechtsbewegung, als sich Rosa Parks in Montgomery, Alabama, 1955 weigert, ihren Sitzplatz einem Weißen freizumachen. In ihrer Solidaritätsbewegung, organisiert vom "Women´s Political Council", engagiert sich auch der dortiger Pastor Martin Luther King. Und als Hoffnung vieler Schwarzen WählerInnen gewinnt im November 1960 John F. Kennedy die Präsidentschaftswahlen.
Im Bereich von Wissenschaft und Technik bringt die Knappheit an männlichen, weißen Forschern, zusammen mit dem Kampf um den Weltraum im Kalten Krieg, die Rüstungsfirmen und Bundesbehörden ebenfalls dazu, nach gut ausgebildeten Frauen und AfroamerikanerInnen zu suchen. Nachdem 1961 der sowjetische Kosmonauten Juri Gagarin der erste Mensch im Weltall ist, sehen sich die USA technisch hinter der UDSSR und die NASA kommt unter immer stärkeren Druck, auch ein "bemanntes" Raumschiff in das All zu senden.
Im Februar 1962 ist es dann auch für die USA so weit. Doch bevor John Glenn seinen legendären Flug mit der "Friendship 7" startet, fordert er mit "Get the girl to check the numbers" die NASA dazu auf, Katherine Johnson persönlich die Computerberechnung der Umlaufbahn überprüfen und verifizieren zu lassen. Von US-Präsident Obama wurde sie 2015 für ihre Leistungen um die US-Raumfahrt mit der "Presidential Medal of Freedom" ausgezeichnet.
Familie, Freundschaft und Zusammenhalt, wie auch der Patriotismus für ihr Land, sind die Werte, die der Film seinen drei Pionierinnen der Raumfahrt im Alltag und am Arbeitsplatz zuordnet. Ihr Engagement im Beruf meistern sie perfekt zusammen mit ihrem Privatleben, der Familie und den kleinen Kindern. Wie diese Balance von ihnen geleistet werden kann, gleichzeitig mit dem perfekten Aussehen und dem schön eingerichteten Heim, ist nicht Thema des Films. Es irritiert nur manchmal, die Frauen nicht bei alltäglichen Tätigkeiten Zuhause zu sehen.
Konsequent bleibt der Film an seinen drei faszinierenden Hauptfiguren, die im schicken 60er Jahre-Design lebensbejahend, kraftvoll und überzeugend dargestellt werden von Taraji P. Henson, Octavia Spencer und Janelle Monáe. So spektakulär der Film diese Biographien heute darstellen kann, so wenig wurden sie damals in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Damit zeigt der Film, dass es heute glücklicherweise möglich ist, auf diese "Hidden Figures" zu verweisen, die durch ihre Selbstermächtigung dieses emanzipatorische Potential für die Zukunft in sich trugen.
AVIVA-Tipp: Es ist eine Freude und fast wie im Märchen, zuzuschauen, wie diese drei Freundinnen und Mathe-Genies ihren Beruf sowie ihr Leben als Mutter und Partnerin unter einen Hut bekommen. Dabei kämpfen sie täglich gegen die Einschränkungen, die Anfang der 60er Jahre afroamerikanische Frauen erfahren. Selbstermächtigung stilsicher im 60er Jahre-Design eingefangen, trägt der Film den Mut und Kampfgeist der damaligen Zeit bis ins Heute.
Die porträtierten Frauen
Katherine G. Johnson, 1918 in West-Virginia geboren, durfte als erste Afroamerikanerin an der West-Virginia Universität studieren. Hochbegabt, besuchte sie bereits mit zehn Jahren die Highschool und machte mit 18 Jahren ihr Examen in Mathematik. Während sie für die NASA arbeitete, war sie alleinerziehende Mutter von drei Kindern. Neben zahlreichen Auszeichnungen erhielt sie 2015 von Präsident Obama die "Presidential Medal of Freedom".
Dorothy Vaughan (1918 - 2008) legte mit 19 Jahren ihr College-Examen in Physik und Mathematik ab. Die 6-fache Mutter wurde als erste Afroamerikanerin NASA-Abteilungsleiterin und war Spezialistin für die Programmiersprache Fortran, die als erste jemals realisierte höhere Programmiersprache gilt.
Mary Jackson (1921 - 2005), mit Examen in Physik und Mathematik, wurde zur ersten afroamerikanischen Raumfahrtingenieurin der NASA, spezialisierte sich auf Windkanal-Experimente und Flugdaten und nutzte ihre Position stets als Kämpferin für weibliche Gleichberechtigung und gründete einen Wissenschafts-Club für schwarze Jugendliche. Sie war verheiratet mit dem Freiheitskämpfer Levi Jackson.
Auszeichnungen für den Film
African-American Film Critics Association 2016: Best Esemble, Best Song, 3. Platz unter den Top 10 Filmen
Hollywood Film Awards 2016: Wynn Thomas als Production Designer of the Year, Jannelle Monáe den Spotlight Award
Palm Springs International Film Festival 2017: Ensemble Cast Award
Women Film Critics Circle Awards 2016: Invisible Woman Award, Josephine Baker Award, Karen Morley Award, WFCC Award (Best Movie About Women, Best Female Images in a Movie, Women´s Work/Best Ensemble)
Zum Regisseur: Theodore Melfi, geboren in New York, ist Drehbuchautor, Regisseur und Produzent. Bekannt wurde er mit der Komödie "St. Vincent" (2014) und als Regisseur von über hundert Werbespots.
Zur Hauptdarstellerin: Taraji P. Henson, geboren 1970 und aufgewachsen in Washington D.C., ist Schauspielerin und Sängerin. Ihre Rolle im Filmdrama "Hustle & Flow" brachte ihr 2005 den "Black Movie Award" und das von ihr darin gesungene Lied "It´s Hard Out Here for a Pimp" erhielt 2006 einen Oscar. Als Beste Darstellerin wurde sie 2016 mit einem Golden Globe für ihre Rolle der Cookie Lyon in der Serie "Empire" ausgezeichnet und veröffentlichte im gleichen Jahr ihre Autobiographie "Around The Way".
Zur Hauptdarstellerin: Octavia Spencer, geboren 1970 in Montgomery, Alabama, ist eine vielbeschäftigte Film- und Fernsehschauspielerin und Oscar- und Golden-Globe-Preisträgerin. Die beiden Preise erhielt sie für ihre Darstellung der Minny im Rassismus-Drama "The Help", 2012. Sie war u.a. zu sehen in "Black or White" (2014), "Snowpiercer" (2013) und "Fruitvale Station" (2013) und hatte Gastauftritte u.a. in "30 Rock" und "The Big Bang Theory".
Zur Hauptdarstellerin: Janelle Monáe, geboren 1985 in Kansas City, ist Soul- und Funksängerin, Produzentin, Songwriterin und Tänzerin. Obwohl sie zuerst Schauspiel studierte, konzentrierte sie sich zuerst auf eine Karriere als Musikerin und veröffentlichte 2007 ihr erstes Solowerk "Metropolis". Für ihr Album "Arch Android" (2010) erhielt sie zwei Emmy-Nominierungen. Ihr Debüt als Schauspielerin hat sie in "Hidden Figures".
Zur Autorin: Margot Lee Shetterly 1969 in Hampton, Virginia, geboren, ist Sachbuchautorin. Ihr Vater arbeitete als Wissenschaftler im NASA-Langley-Research Center, ihre Mutter war Englischprofessorin an der Hampton University. Sie arbeitete in unterschiedlichen Jobs, wie im Investment Banking, in der Medienbranche, bei Start-up-Unternehmen und in der Tourismusindustrie. 2010 begann sie mit der Recherche an "Hidden Figures" und verkaufte 2014 die Buch- und Filmrechte. Sie gründete 2013 "The Human Computer Project", eine Organisation zum Aufbau eines Archivs über die Arbeit sämtlicher Frauen der frühen Jahre bei der NACA (National Advisory Committee for Aeronautics) und der NASA.
Hidden Figures - Unerkannte Heldinnen
USA 2016
Regie: Theodore Melfi
Drehbuch: Theodore Melfi, Allison Schroeder
Nach dem Buch von Margot Lee Shetterly
DarstellerInnen: Taraji P. Henson, Octavia Spencer, Janelle Monáe, Kevin Costner, Kirsten Dunst, u.a.
Kamera: Mandy Walker
Verleih: Fox Deutschland
Lauflänge: 127 Minuten
Kinostart: 02.02.2017
www.fox.de/hidden-figures
www.facebook.com/HiddenFigures
Weitere Informationen:
Das "Human Computer Project" wurde von Margot Lee Shetterly, der Autorin von "Hidden Figures", 2014 als virtuelles Museum gegründet, um die Arbeit von Frauen in der NASA sichtbar zu machen.
Am 24. Januar 2017 veranstalteten die Berliner Zonta Clubs, Business and Professional Women (BPW) Germany e.V., das Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e.V., der Verband deutscher Unternehmerinnen e.V. (VdU), und die Regionalgruppe Berlin des Femtec.Alumnae e.V. in Kooperation mit Twentieth Century Fox eine exklusive Preview des Kinofilms "Hidden Figures - Unerkannte Heldinngen".
Vor Filmbeginn luden sie zu einer Podiumsdiskussion zum Thema Chancengleichheit und den heutigen Möglichkeiten von jungen Mädchen und Frauen in den Bereichen Technik und Naturwissenschaften ein.
Die Gästinnen waren:
Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz a.D., parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie und Koordinatorin der Bundesregierung für die Deutsche Luft- und Raumfahrt
Prof. Dr. Martina Schraudner, Leitung Fraunhofer Center for Responsible Research and Innovation CeRRI
Prof. Dr. Barbara Lentz, DLR, Leitung Institut für Verkehrsforschung
Barbara Teufel, Sprecherin Pro Quote Regie
Moderation: Jördis Jung, Zonta-Club Berlin Mitte, Dr. Marion Esch, Stiftung für MINT-Entertainment-Education-Excellence
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The Help.
"You is kind, you is smart, you is important", bringt Aibileen dem kleinen weißen Mädchen bei, das in den rassistischen Südstaaten der USA der 60er Jahre eine Verbündete zu sein scheint. Eine liebevolle Aufmunterung für ein Kind, das von seiner Mutter abgelehnt wird. Aber schon in wenigen Jahren wird das Machtverhältnis zwischen der schwarzen Hausangestellten und dem weißen Kind ein ganz anderes sein. Wenn alles so bleibt, wie es ist. (2011)